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Coverstory: Amigos

"Für unsere Fans sind wir immer da"

Bernd und Karl-Heinz Ulrich sind das Schlager-Phänomen schlechthin: Bis vor wenigen Jahren spielten die Amigos noch auf regionalen Zeltfesten in ihrer mittelhessischen Heimat, mittlerweile füllt das Brüderduo europaweit Stadthallen und hat über fünf Millionen verkaufte CDs zu Buche stehen. Wir haben die Amigos in Graz zum Interview getroffen und mit ihnen über Bier, ihre Musik, ihre Neider uvm. geplaudert.

Es war einer dieser Interview-Termine, von dem man sich im Vorfeld nicht ganz sicher ist, was einen erwartet. Das erfolgreichste Schlagerduo der letzten Jahre auf der einen Seite des Tisches, meine Wenigkeit auf der anderen. Über fünf Millionen verkaufte Tonträger, unzählige Preise sowie Gold- und Platin-Auszeichnungen würden jegliches arrogante oder überhebliche Verhalten rechtfertigen, auf kritische Fragen sollen die beiden angeblich auch nicht so gemütlich reagieren. "Willst du auch einen Kaffee", fragt mich Karl-Heinz Ulrich und bittet seine Ehefrau mir einen zu bringen, während er sich selbst genüsslich eine Zigarette anzündet. Das Eis war gebrochen. Aus einem Kurzinterview wurde eine 30-minütige Stammtischrunde. "Gösser, Stiegl, es gibt schon gutes Bier hier in Österreich. Es ist zwar nicht so herb wie das, das wir überwiegend in Deutschland trinken, bei uns wird stärker gehopft, aber es gibt dann auch ein Kölsch das wieder ganz anders schmeckt. Jeder Landstrich hat mehr oder weniger sein eigenes Bier", erzählt Bernd, der vor dem großen Amigos-Erfolg jahrzehntelang als Bierbrauer gearbeitet hat. Die lockere Einstiegsfrage führte uns direkt zu den Anfängen der Amigos. Vor fünfzig Jahren begannen Bernd und Karl-Heinz Ulrich gemeinsam Musik zu machen. "Unser Opa hatte eine Kapelle und daher war Musik bei uns eigentlich immer ein Thema. Karl-Heinz konnte Gitarre spielen, ich Schlagzeug und so haben wir dann Musik gemacht, als Hobby halt. Viele gehen Angeln oder Kegeln und wir haben nach der Arbeit eben Musik gemacht und waren damit komplett zufrieden", erzählt uns Bernd. Bevor die Amigos geboren wurden, standen die zwei übrigens jahrelang als River Boys auf der Bühne. "Weil bei uns zuhause so ein Bach vorbeifließt", verraten die zwei.

"Aber 1970 wollten wir dann keinen englischen Namen mehr, denn zu dieser Zeit war in Deutschland alles auf Englisch. Klar mussten wir dennoch englische Musik spielen wie von CCR und den Stones, aber wir haben eben auch Schlager und Volksmusik von Ernst Mosch und Hubert Wolf usw. gespielt." Die großen Vorbilder seien zu dieser Zeit die Flippers und die Kastelruther Spatzen gewesen, dass sie vierzig Jahre später vergleichbare Erfolge feiern würden, hätten sich die Amigos damals weder erwartet noch erträumt. Mit den beiden Keyboardern Rudi Lang und Günther Zimmer tingelten die zwei Brüder von Dorffest zu Dorffest und waren damit absolut glücklich. "Wir haben uns den Durchbruch nie erhofft. Wir sind nie morgens aufgestanden und haben mit dem lieben Gott gehadert, weil wir nicht berühmt waren. Wir hatten ja Erfolg und waren damit auch zufrieden. Ich sag immer, im Umkreis von 150 Kilometer waren wir weltbekannt und das hat uns gereicht. Wir haben gearbeitet und nebenbei Geld verdient und haben dann damit bei Karl-Heinz zuhause zwei Garagen zu einem Tonstudio umgebaut, um dort unsere Ideen verwirklichen zu können. Ob die jemand hören wollte, war uns scheißegal, Hauptsache wir hatten unsere Freude. Einer freut sich wenn er einen Riesenfisch aus dem Wasser zieht und wir wenn wir ein Lied komponiert hatten, das wars", so Bernd Ulrich im ÖMM-Interview.

"Wir haben uns den Durchbruch nie erhofft. Wir sind nie morgens aufgestanden und haben mit dem lieben Gott gehadert, weil wir nicht berühmt waren."

Für die selbst komponierten Amigos-Songs interessierte sich zunächst aber auch nur eine überschaubare Anzahl Menschen. Doch wie gesagt, den beiden war die Erfolglosigkeit ziemlich egal, vorrangig ging es den Amigos um den Spaß an der Sache. Dieser ging jedoch zweimal auf sehr dramatische Weise verloren, beide Male hätte es auch das Ende der Amigos sein können, wie uns Karl-Heinz mit emotionaler Miene erzählt. "1985 ist unser erster Keyboarder Günter Zimmer an einem Hirntumor gestorben, da hatten wir schon erstmals etwas nachgedacht, haben mit Witold Piwonski aber ganz schnell Ersatz gefunden und das hat mit ihm gleich perfekt gepasst. Nach fünfzehn Jahren ist aber auch er dann ins Koma gefallen und in diesem Zustand befand er sich acht Jahre lang, bevor er gestorben ist und da hatten wir schon den Gedanken aufzuhören.Von einem Tag auf den anderen standen wir wieder ohne Keyboarder da, aber unsere Fans haben uns dann dazu motiviert weiterzumachen. Wir haben dann Bernds Tochter als Sängerin mit auf Tour genommen, eine Zeit lang habe ich auch noch Keyboard gespielt, aber ich bin kein guter Keyboarder, außerdem: unser erster Keyboarder war 15 Jahre da, der zweite auch genau 15. Wenn ich auch nach 15 Jahren umkippe, dann wäre es mit den Amigos ganz vorbei gewesen und so sind wir dann auf Halbplayback umgestiegen."

Vor neun Jahren gelang dem Brüderpaar dann "auf ihre alten Tage" völlig überraschend der Durchbruch. Dank der Unterstützung eines Teleshopping-Kanals verkauften sich die CDs des Duos plötzlich wie warme Semmeln. "Der helle Wahnsinn" (2007) war nicht nur der Titel ihres ersten Nummer-eins-Albums, sondern auch Programm. Noch im selben Jahr absolvierten die Amigos ihren Premierenauftritt bei der "Krone der Volksmusik", wurden erstmals für einen ECHO nominiert und durften sich in Österreich und Deutschland über insgesamt vier Gold- und vier Platin-Auszeichnungen freuen. Dieser phänomenale Erfolg rief allerdings auch zahlreiche Neider auf den Plan, die das Duo bis heute nicht bloß kritisieren, sondern wegen ihrer bunten Glitzersakkos ins Lächerliche ziehen und damit unter die Gürtellinie gehen. "Schau, mit dir kann man sich ja ganz normal unterhalten", sagt Karl-Heinz und zündet sich eine weitere Zigarette an. "Die Sakkos hat Bernd in einem Teneriffa-Urlaub bei einem Designer entdeckt und seither bestellen wir dort jährlich zwei neue Anzüge. Unseren Fans gefällt‘s und mittlerweile sind sie auch schon zu unserem Markenzeichen geworden." Wer denkt, dass die beiden auch privat so herumlaufen würden und deshalb "uncool" und "komisch" seien, hat die Amigos noch nicht zum Interview getroffen.  Sportklamotten, Turnschuhe. "Gestern habe ich beim Interview eine Jogginghose getragen, ganz gemütlich", grinst Karl-Heinz. Bernd nippt an seiner Espressotasse und ergänzt lachend: "Klar werde ich im Glitzersakko keine Brötchen holen, da würde man ja auf mich schießen."

Augenblicke später ist die Stimmung jedoch wieder deutlich ernster, denn Internet-Beleidigungen verurteilen die beiden Schlagerstars aufs Schärfste. "Wenn in einem Satz 37 Rechtschreibfehler sind, zeigt das schon wes Geistes Kind er ist. Warum beschäftigen die sich überhaupt mit uns, wenn sie unsere Musik nicht mögen. Ich bin auch kein Fan von Heavy Metal oder House, aber wenn ich sehe, dass die Böhsen Onkelz vier Tage infolge ein Open Air ausverkaufen, dann kann ich davor doch nur meinen Hut ziehen. Wir machen keine Musik für Sechzehn- oder Achtzehnjährige, das ist doch ganz klar. Wir machen Musik für eine gewisse Klientel und haben in zehn Jahren über fünf Millionen CDs verkauft. Will man uns jetzt erzählen, dass über fünf Millionen Bekloppte hier herumlaufen?" Weltweit gebe es Fanclubs, ihre Musik verbreite positive Stimmung und schaffe Freundschaften, all das wollen sich Karl-Heinz und Bernd Ulrich nicht kaputt machen lassen. Für die Amigos zähle daher mittlerweile nur noch die Meinung ihrer Anhängerschaft. "Für unsere Fans sind wir immer da. Foto- und Autogrammwünsche sind das größte Kompliment und eine Ehre. Wenn sie mit Steinen nach uns schmeißen würden, dann müssten wir uns Gedanken machen", sagt Karl-Heinz abschließend und dämpft seine letzte Zigarette aus.

Fotos: © Kerstin Joensson, KK

 

 

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